Geschichten aus unserem Haus

Chrissie

Wiedervereinigt – Von Einer die auszog und wiederkehrte

Es war an einem wunderschönen und sehr sonnigen Herbsttag – kurz nach dem Fall der Mauer – im November 1989, als ich gemeinsam mit meinem Bruder und meiner jetzigen Schwägerin zum Wohnungsbesichtigungstermin vor dem Eckhaus Müllerstraße 131, Ecke Kamerunerstraße 58 stand. Wir waren mit dem Besitzer des Hauses, Herrn G. verabredet. Er begrüßte uns sehr freundlich und wir betraten das Haus durch die Eingangstür der Kameruner Straße. Sofort verschlug es mir vor Begeisterung den Atem. Ein solch geräumiges Treppenhaus in dieser Größenordnung hatte ich bis dahin noch nie gesehen. Die 2-Zimmer-Wohnung, für die ich mich interessierte, lag im 3. Stock dieses herrschaftlichen Hauses. Als wir uns vor dem Betreten der Wohnung alle drei ganz selbstverständlich die Schuhe auf der davor liegenden Fußmatte abputzten, strahlte Herr G. und entgegnete uns, dass wir die Ersten wären, die fremdem Eigentum den nötigen Respekt entgegen brächten. Das war wohl unserer erster Pluspunkt.

Schnell sahen wir, dass sich der Flur und die Küche, die wir als erstes inspizierten, in einem, sagen wir mal, sehr renovierungsintensivem Zustand befanden. Das Bad aber war gerade erst neu, mit sehr schönen weißen Kacheln, renoviert worden. Beim Anblick der großzügigen Badewanne, die direkt neben dem Fenster lag, sah ich mich bereits in Gedanken versunken, gemütlich in der Wanne liegend, mit einem Glas Sekt in der Hand. Spätestens beim Besichtigen der zwei weiteren mit Sonnenlicht durchfluteten Räume und den herrlichen Stuckdecken, hatte ich mich in diese kleine Wohnung verliebt. Ein Blick in den Hof, mit den zwei großen Kastanienbäumen begeisterte mich zusätzlich. Im gemeinsamen Gespräch fanden Herr Grossman und mein Bruder noch zufällig dieselbe Affinität zur Physik und Mathematik heraus; mein Bruder war zu dieser Zeit Student für Mathe und Physik, Herr G. seinerseits unterrichtete jahrelang eben diese beiden Fächer an einem Gymnasium. Er erzählte uns dann auch von seinen ungarisch-jüdischen Wurzeln, worauf ich ganz spontan und voller Stolz das einzige in meinem Sprachschatz befindliche ungarische Wort heraus prustete und „egészségére“ sagte, was soviel wie „Auf Ihre Gesundheit“ oder „Prost“ bedeutet. Herr G. grinste über das ganze Gesicht und erwiderte sogleich ein eigenes „egészségére“, welches sich deutlich von meiner Aussprache unterschied, im Vergleich ziemlich gut und vor allem ungarisch anhörte. Dann schauten wir uns an und lachten beide herzlich. Ab diesem Moment, hatte ich die Zusage für diese schöne Wohnung und Herrn G. in mein Herz geschlossen.

Nach fünf Jahren verließ ich den Wedding und lebte fortan im Bezirk „Kreuzberg 61“. Ein weiterer sechsjähriger Lebensabschnitt in meiner ehemaligen Heimat, dem Allgäu folgte.

2015 entschied ich mich zusammen mit meinen zwei jugendlichen Söhnen für einen Rückumzug nach Berlin. Wir suchten über ein halbes Jahr verzweifelt nach einer Wohnung in unserem ehemaligen Kreuzberger Kiez, wo meine Kinder vor dem Umzug nach Bayern aufwuchsen und noch Freunde hatten. Keine Chance. Die Gentrifizierung in diesem Bezirk war bereits sehr fortgeschritten und es war unmöglich, dort noch bezahlbaren Wohnraum zu finden.

Dann meinte eine Berliner Freundin mehr so zufällig, dass ich vielleicht mal im Wedding schauen sollte. Dort seien die Mietpreise noch sehr moderat und es gelte seit mindestens 20 Jahren der Spruch „Der Wedding kommt – aber langsam“. Es fühlte sich für mich im ersten Moment undenkbar an, in den Norden Berlins zu ziehen. Die Telefonnummer meines alten Vermieters Herrn G. befand sich noch immer in meinem alten Adressbuch, also rief ich dort an. Ich war nicht schlecht erstaunt, als sich nach kurzem Klingeln ein Anrufbeantworter einschaltete und ich exakt den gleichen Ansagetext, wie vor 20 Jahren mit Herrn G.s Stimme hörte. Es sollte jedoch noch weitere 3 Monate dauern, bis ich einen Anruf von einem mir unbekannten Mann, namens Herrn S. bekam, der sich als Hausverwalter von Herrn G. vorstellte und mir eine Wohnung in der Müllerstraße 131 anbot. Bei der Besichtigung dieser 116 qm großen 3,5 Zimmer-Wohnung war es wieder „Liebe auf den ersten Blick“. Sie liegt im Vorderhaus oder wie wir manchmal scherzhaft sagen – in der „Belle Etage“.  Eigentlich suchte ich ja nach einer 4-Zimmer-Wohnung.  Doch beim Anblick der großzügigen, hellen Räume und dem wunderschön frei gelegten Stuck, welcher liebevoll und detailverliebt von Herrn S. selbst restauriert wurde, wusste ich, dass ich die richtige Wohnung für uns gefunden hatte. Die Chemie zwischen dem sehr sympathischen, ebenfalls aus Süddeutschland stammenden Hausverwalter, der mir alles zeigte und mir geduldig zuhörte, stimmte sofort. Und so fühlte sich der Einzug mit meinen beiden Jungs im Oktober 2015 wie eine Wiederkehr nach Hause an, und das nach 20 Jahren.

Ich wünsche mir, dass ich noch lange Zeit in diesem Haus mit den mir vertrauten und ans Herz gewachsenen Nachbarn wohnen kann. Wir alle wünschen uns nichts sehnlicheres, als dass unser im Milieuschutz liegendes Haus durch das Ausüben des bezirklichen Vorkaufsrecht an eine gemeinwohlorientierte Baugenossenschaft übergeben wird. Unser verstorbener Eigentümer, der mit uns Mietern stets sehr sozial umgegangen ist, würde diese Entscheidung ebenfalls begrüßen und sich über ein genossenschaftliches Zusammenleben in seinem Haus bestimmt freuen. Und wenn Herr G. noch leben würde, dann säße er bestimmt jeden Sonntag um 12 Uhr mit uns gemeinsam im Hof-Garten mit einer guten Tasse Café und einem Stückchen selbst gebackenen Kuchen. Eine sehr schöne Vorstellung!

Sandra

Ich bin wohl die einzige Mieterin im Haus, die Herrn G. nicht mehr persönlich kannte, da ich erst im Sommer nach seinem Tod einzog. Doch die Hausverwaltung durch die Familie S. war für uns Mieter seit jeher ein großes Glück: freundlich, hilfsbereit und mit viel Herz kümmern sie sich bis heute um das Haus und dessen Bewohner.

Kurz nach meinem Einzug ging es für mich in den Urlaub. Glücklicherweise erklärte sich damals meine Nachbarin Chrissie dazu bereit, sich während dieser Zeit um meine Katze zu kümmern. Doch bereits am zweiten Urlaubstag klingelte mein Telefon. Völlig aufgelöst rief Chrissie mich an: Sie hatte sich aus meiner Wohnung ausgeschlossen – und wie sollte es anders sein – Katze und Schlüssel warteten auf der anderen Seite der Tür. Verzweifelt rief ich unseren Hausverwalter Herrn S. an. Als ich ihm die vertrackte Situation schilderte und nach einem Zweitschlüssel fragte, verneinte er dies zwar, sagte aber, Chrissie solle sich bereit halten, er wäre schon unterwegs. Und tatsächlich machte er sich an jenem Sonntagvormittag sofort auf den Weg. Innerhalb von Minuten gelang es ihm, die Tür ohne jeglichen Schaden zu öffnen. Meine Katze und mein Urlaub waren somit gerettet.

Ebenso kann ich mich noch gut an einen äußerst ungemütlichen, winterlich kalten Freitag erinnern, als meine Gastherme plötzlich nicht mehr funktionieren wollte. Ein Anruf bei Herrn S. blieb unbeantwortet. Ein zweiter, bei seiner Tocher war jedoch erfolgreich. Sie sagte mir, dass ihr Vater übers Wochenende in Schleswig-Holstein war, sie aber sofort einen Heizungstechniker benachrichtigen würde. Sie versprach mir, dass ich auf keinen Fall frieren müsste, da es im Haus für solche Fälle Elektroheizkörper gäbe. Diese standen jedoch noch bei einem Nachbarn, dessen Gastherme im Vormonat repariert wurde. Frau S. rief ihn direkt an und ich konnte die Heizkörper ohne Weiteres sofort abholen. Als noch am gleichen Abend der Monteur kam, stellte er fest, dass das benötigte Erstatzteil frühestens nächster Woche eintreffen würde. Doch so lange musste ich nicht warten: Herr S. kam direkt nach seiner Rückkehr aus Schleswig-Holstein vorbei, um sich selbst ein Bild zu machen. Er kramte kurz in seiner Werkzeugkiste, fand das fehlende Teil und baute es sofort ein.

David

Ich bin bereits im Jahr 1976 in dieses Haus gezogen, da war ich gerade einmal 22 Jahre alt. Der damalige Zustand der Wohnung lässt sich wohl am besten mit dem Wort „katastrophal“ beschreiben. In jedem Raum gab es eine Ofenheizung und lediglich eine Steckdose, plus Lichtschalter. 

Im Laufe der Jahre, und auch Stück für Stück, habe ich meine Wohnung eigenständig renoviert. Vom Fliesen des Badezimmers über das Abschleifen der Dielen bis hin zur Restauration des Stuckes, habe ich nicht nur viel Arbeit und Schweiß, sondern auch sehr viel Geld investiert. Langsam, aber stetig, machte ich diese Wohnung zu meinem Zuhause. 

Heute sind es 44 Jahre. Ich habe in dieser Zeit viele Leute kommen und gehen sehen. Aber mit den Mietern ist eine wahre Hausgemeinschaft entstanden. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich das erste Mal zum Kaffeetrinken lud. Daraus entwickelte sich ein regelmäßiger Sonntagsbrunch, zu dem sich immer mehr Mitbewohner gesellten. Aufgrund von Corona verlagerten wir unsere Treffen nach draußen. Heute kommen wir fast jeden Sonntag in unserem Hof zusammen, wenn auch nur für einen kurzen Plausch und eine Tasse Kaffee.

Meiner alten Nachbarin Traudl hätten diese Treffen auch gefallen. Sie war eine unglaublich charmante alte Dame. Eine echte Berliner Pflanze sozusagen. Sie wurde 1922 in diesem Haus geboren und verbrachte ihr ganzes Leben hier. Als sie nach einem schweren Sturz ihre Wohnung nicht mehr verlassen konnte, haben wir sie so gut es geht unterstützt. In Absprache mit ihren Kindern und Enkelkindern kaufte ich für sie ein. Besonders genoss sie die Mohnbrötchen von real, die ich ihr nach meinem Nachtdienst an die Tür hing. Daraus entwickelte sich eine Art Routine: Zweimal in der Woche fand ich mich in ihrer Wohnung zu einem kleinen Schwätzchen ein und leistete ihr Gesellschaft. Während ich ihren Geschichten lauschte, genoss sie Wein und Zigarette und ich mein alkoholfreies Bier.  Was mir noch gut in Erinnerung geblieben ist, ist ihr Lieblinsgsspruch: Ich glaube nicht, dass ich noch erlebe, wie der BER fertig wird…

Erinnerungen an Herrn G., unseren Vermieter und Nachbarn…

Herr G. lebte selbst bis zu seinem Tod hier im Haus. Es war sein Zuhause und wir lebten gerne mit ihm. Dass er krank war, wussten wir natürlich, man sah ihn immer seltener im Haus. Trotzdem kam sein Tod für uns alle überraschend. Wir  waren überaus betroffen und können uns noch sehr gut an den Tag erinnern, als wir eine Trauerkarte im Briefkasten vorfanden.

Er war ein stets freundlicher, offener Mensch und ein über die Maßen fairer Vermieter. Alles war so unkompliziert mit ihm. Jedes Anliegen wurde gehört – ob Reparaturen, Wohnungs- oder Mieterwechsel. In der heutigen Zeit gleicht ein Vermieter, wie er es war, einem Sechser im Lotto und damit einer Chance von 1 zu 14 Millionen. Er wollte sich nie durch uns bereichern und so kam es im Laufe der Jahre nur zu nötigen Mietanpassungen. Auch bei unseren Wohnungsgesuchen wurden wir nicht aufgrund unserer Lohnzettel ausgesucht, sondern ob wir zur Mieterschaft passten.

Geboren wurde Herr G. in Timișoara, der drittgrößten Stadt Rumäniens. Doch bereits in jungen Jahren zwang ihn die blutige Diktatur Ceausescu’s zur Flucht aus seinem Heimatland. Mithilfe seines Onkels, gelang der junge Herr G. schließlich über die Türkei nach Deutschland. Viele Jahre, von 1969 bis 1993, dem Jahr seiner Pensionierung, war Herr G. am Thomas-Morus-Gymnasium in der Eifel als Lehrer für Mathematik und Physik tätig. Auch hier schätzten Kolleg*Innen sowie Schüler*Innen und Eltern sein freundliches und bescheidenes Wesen. Gleichzeitig übernahm er zunehmend die Verwaltung seiner beiden Häuser in der Müllerstraße / Ecke Kameruner Straße, die er von seinem Vater geerbt hatte. Herr G. selbst zog erst nach seiner Pensionierung nach Berlin, wo er bis zu seinem Tod eine Wohnung in der Müllerstraße bewohnte.

David aus der Müllerstraße erinnert sich stets gern an seinen langjährigen Nachbarn. Herr G. lud ihn einmal zum Essen ein. Es folgte eine rasante Fahrt mit dem Auto in den Prenzlauer Berg. Im Lokal angekommen, verfeinerte Herr G. sein bestelltes Wasser mit seinem eigens mitgebrachten Wein, das übrig gebliebene Essen verschwand heimlich in seiner Tasche.

An eine andere, etwas skurrile Begegnung erinnert sich David immer mit einem Schmunzeln. Als Herr G. zu einer Herz-Katheter-Untersuchung ins Virchow-Klinikum musste, verhalf David, der damals dort beschäftigt war, ihm zu einem Termin. Nachdem Herr G. alles überstanden hatte, wurde er alsbald entlassen. Erst zu Hause, mitten in der Nacht fiel ihm auf, dass sich der Zugang noch in seinem Arm befand. Er rief David an und bat um Hilfe.  So standen beide, mitten in der Nacht, im Schlafanzug im Hausflur und David entfernte die Nadel aus seinem Arm.

Silke

Ich weiß nicht mehr, wie wir Herrn G. gefunden haben, aber ich weiß noch genau, wann wir das erste Mal telefoniert haben. Er hatte eine besondere Stimme und was er sagte beruhigte mich sofort: Ich habe bestimmt eine Wohnung für Sie. Auf Wohnungssuche zu sein, das war in Berlin noch nie besonders schön. Meine Freundin und ich hatten schon einmal eine Zeit ohne Bleibe, ein halbes Jahr, in dem wir als Erwachsene wieder bei unseren Müttern unterkriechen mussten. Umso schöner war dieser freundliche Satz und das von einem Hausbesitzer…

Am 7.9.1997 gingen wir also frohgemut zur Besichtigung einer 2-Zimmer Wohnung in die Kameruner Str. 58. Die Wohnung war noch nicht bewohnbar, alles musste renoviert werden, aber das machte uns nichts aus. Wir waren Anfang Dreißig – das Alter, in dem man Bäume ausreißen kann.

Am gleichen Tag unterschrieben wir den Mietvertrag. Herr G. lud uns in seine große Wohnung ein und bat uns, im Chaos Sitzgelegenheiten frei zu machen. Er holte eine kleine Reiseschreibmaschine von irgendwo hervor und nachdem er den Vertrag in die Maschine geklemmt hatte, ein wenig herum gegrummelt hatte, meinte er schließlich, eine von uns könne das mit dem Tippen sicher besser und schneller als er. Also balancierte ich die Schreibmaschine auf dem Schoß und in diesem Moment hatte ich Herrn G. in mein Herz geschlossen: chaotisch und großherzig, freundlich und grummelig. Ein alter Herr, manchmal sehr elegant mit weißem Schal und dunkelblauem Mantel, Hut und Haltung, und ein anderes Mal wie ein Vagabund, und immer sehr, sehr höflich. Ein Gentleman.

Einige Jahre später, meine Freundin wollte ausziehen, fragte ich Herrn G., ob er eine kleinere Wohnung für mich habe. Als wir uns trafen, hatte er nur den Schlüssel zu einer größeren Wohnung dabei. Bei der Besichtigung war es trotzdem um mich geschehen, ich war sofort verliebt in diese Wohnung. Eine Woche, vielleicht zwei, tat ich mein Bestes ihn zu überzeugen, mir die Wohnung für eine Miete zu überlassen, die ich alleine zahlen konnte. Er willigte ein und ich war glücklich.

Ich brauchte einige Zeit, Leben in die große Wohnung zu bekommen. Als sie dann doch teurer wurde, habe ich Herrn G.s Rat befolgt und vermiete seitdem eines der schönen, großen Zimmer.

Wir haben uns immer gut verstanden, alles konnte unkompliziert geregelt werden, das ein oder andere Teechen wurde dabei getrunken. Denn Tee tranken wir beide gern.

Sein Tod hat jeden von uns traurig gemacht, und ich denke, wenn er wüsste was nun mit seinem Haus passiert, würde ihn das ebenfalls traurig machen.

Renate

Soweit ich zurück denken kann, hatte der Wedding eigentlich nie einen allzu guten Ruf in Berlin. Als ich jedoch vor 40 Jahren auf der Suche nach einer Wohnung war, entschied ich mich dennoch darüber hinweg zu sehen. Schließlich war ich der festen Überzeugung, nur übergangsweise hier zu wohnen.

Das war vor 40 Jahren. Heute fühle ich mich hier mehr als wohl. Im Besonderen schätze ich die Rehberge und den Schillerpark – zwei grüne Oasen mitten in der Stadt, nur einen Steinwurf entfernt. Und auch wenn sich die Müllerstraße im Laufe der Jahre etwas verändert hat, profitiere ich besonders in meinem Alter von der guten Verkehrsanbindung und den vielen Lebensmittelgeschäften direkt vor der Tür. Abgerundet wird dieses Wohlfühl-Gefühl durch die Hausgemeinschaft und unsere sonntäglichen Treffen im Hof.

Deshalb hoffe ich wirklich, hier weiterhin wohnen zu dürfen.

Sophie

Ich bin heute 20 Jahre alt,  dreimal umgezogen und wohne jetzt in meinem vierten Zuhause. Aufgewachsen bin ich in Neukölln, in einer schönen Wohnung mit meinen Eltern. Als ich 7 Jahre alt war, sind wir zusammen nach Lichtenrade in ein Reihenhaus gezogen, hatten einen kleinen Garten und super tolle Nachbarn, die für mich als kleines Mädchen zur Familie wurden. 

Meine Eltern haben sich aber schon immer ein eigenes Haus gewünscht, eines, das sie nach ihren Vorstellungen entwerfen konnten. Deshalb musste ich mit 11 Jahren wieder umziehen und meine Nachbarn, meine Schule und meine Freunde zurück lassen. Denn unser neues Zuhause sollte in Glienicke Nordbahn sein, einmal komplett durch Berlin, auf die andere Seite. Auch hier fühlte ich mich wohl, ich liebte unser Haus, unseren nun riesigen Garten und meine neuen Freunde. Dieses Haus wurde auch zum ersten Zuhause meines kleinen Bruders. Wir, zu viert, in unserem eigenen Heim im Grünen. Das machte die Trauer über den Umzug allemal wett. Ich konnte mit meinen drei besten Freunden jeden Tag mit dem Fahrrad zur Schule und wieder nach Hause fahren, stand innerhalb weniger Minuten vor deren Tür, wenn wir uns spontan verabredet hatten. Ich war in meinem Zuhause angekommen. 

Doch dies hielt nicht lange. Zwei Jahre nachdem wir in unser Haus gezogen waren, ließen sich meine Eltern scheiden. Meine Mama, mein Bruder und ich brauchten ein neues Heim. So begann die Suche nach einer neuen, bezahlbaren Wohnung, nicht all zu weit von meiner Schule entfernt. Ich, mit meinen 13 Jahren, fand jede einzelne Wohnung doof. Ich dachte, nichts kommt an mein Zuhause in der Nähe meiner Freunde, mit meinem riesigen Garten heran. 

Und nach einigen Besichtigungen standen wir plötzlich in diesem Haus. An dem Tag der Besichtigung standen die Menschen bis unten in den Flur, um sich die Wohnung anzugucken. Ich war sofort beeindruckt von dem Hausflur, und als wir die Wohnung betraten, hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass es vielleicht doch noch ein anderes, schönes Zuhause für uns geben könnte. Ich hatte mich sofort in die Wohnung verliebt und meine strahlenden, beeindruckten Augen haben uns geholfen, diese Wohnung zu bekommen. Nun leben wir hier seit 6 Jahren, die längste Zeit, die ich eine Wohnung oder ein Haus bewusst mein Zuhause nennen konnte. 

Und was soll ich sagen, ich liebe es immer noch. Auch hier haben wir eine unfassbar tolle Nachbarschaft. Mein Bruder hat einen Hinterhof, den wir uns alle gemeinsam gemütlich hergerichtet haben und in dem er sich austoben kann. Und Mama, mein Bruder und ich möchten unser Zuhause nicht ein weiteres Mal verlassen müssen.

Auch, wenn ich in meinem Alter früher oder später ausziehen werde, wünsche ich mir für meine Familie, dass wir in unserer Wohnung bleiben können, mein Bruder nah bei seinen Freunden und ich bei jedem Besuch später das Gefühl von Heimat habe, wenn ich unsere Wohnung betrete.